Wanderfahrt auf der Werra – „Über Stock und Stein“

Die Werra ist der östlich verlaufende Hauptquellfluss der Weser. Über viele Jahre war er Grenzfluss an der innerdeutschen Grenze, seit der Grenzöffnung im Herbst 1989 ist das Gewässer für Ruderer ab Creutzburg befahrbar. Der RVC, der bereits im letzten Jahr begann die Werra zu befahren, startete seine zweitägige Tour (11./12.06.2016) in Treffurt, einem Dörfchen unterhalb von Burg Normanstein. Vor dem Ablegen der Boote musste eine erste Herausforderung gemeistert werden. Ein Bolzen war beschädigt und musste ersetzt werden. Im nahe gelegenen Baumarkt wurden Ersatzteile gekauft. Unterhalb der Werrabrücke setzten wir die beiden Oldie-Zweier „Eder“ und „Holtesmeni“ sowie den 2015 in den Bestand des RVC übernommenen Wanderrudervierer „Hans Werner“ ein. Der Wasserstand war gut. Die Flussgeschwindigkeit hoch. Fahrtenleiter Stephan Gerlach hatte sich im Vorfeld der Tour über das Internet vergewissert, dass die Pegelstände am Fluss ein Befahren möglich machten. Der erste Streckenabschnitt ging bis nach Wanfried, dem ehemaligen Endhafen der Weser-Werra-Schifffahrt. Am dortigen Wehr wurde pausiert. Der Landdienst, der den Hänger nach Bad Sooden-Allendorf, dem Etappenziel, gebracht hatte, war noch nicht da. Ein Fahrerwechsel erfolgt. Die Schleuse in Eschwege, die bereits bei der Fahrtenplanung zum Nachdenken angeregt hatte, konnte nicht passiert werden. Das Wasser- und Schifffahrtsamt in Hannoversch Münden meinte, dort sei alles OK, auf dem Serviceportal der Schifffahrtsverwaltung (www.elwis.de) war keine Sperrung ausgewiesen. Der Wanderruderwart des Eschweger Rudervereins hatte im Vorfeld der RVC-Tour jedoch immer wieder auf Probleme hingewiesen, zuletzt gab jedoch auch er grünes Licht. „Schleuse gesperrt!“ stand auf einem Schild. „Warum das?“ Michael Fischer war wohl einer der ersten, der das Dilemma sah. Es war zwar möglich die Schleusenkammer volllaufen zu lassen, die Ausfahrt aus der Anlage war jedoch unmöglich, da das Unterwasser so niedrig war, dass man auf dem Schleusenboden im Schlamm aufgesetzt wäre. „Wo ist denn hier die Umtrage?“, war die nächste Frage, die zu beantworten war. Hinter der Schleuse war ein Einsetzen nicht möglich. Unterhalb des Wehres ging die Fahrt weiter. Holger Rose, Florian Diegelmann und Tanja Kurzenknabe in der Eder hatten Steuerprobleme, die starke Strömung wendete das Boot und den Dreien blieb nichts anderes übrig als den Seitenarm mit guter Strömung rückwärts durchzufahren. Das war ein Abenteuer. „Lustig war´s“, meinte Obmann Holger im Rückblick. Die Holtesmeni mit den beiden Fischers und der Vierer kamen besser durch diese Passage. Abwechslungsreich war der Streckenabschnitt bis Bad Sooden-Allendorf. Ruhige Passagen und Stromschnellen wechselten sich ab. Ab späten Nachmittag legten die drei Boote am Ufer vor dem ehemaligen Schülerruderverein an. Nach einem gemütlichen Absacker in einer Kneipe an der Werra ging es zurück nach Kassel.

Am Sonntag war Michael Fischer nicht mehr dabei. Der Zweier „Eder“ blieb daher an Land. Bereits kurz nach dem Start zur zweiten Etappe war mit der Schleuse Bad Sooden-Allendorf eine Herausforderung zu meistern. Weniger Meter nach der historischen Brücke mussten die Boote im rechten Winkel aus der Strömung in die Schleuse abbiegen. Der Landdienst half beim Manövrieren. Jens Lattmann und Linda Küllmer absolvierten heute ihre erste Schleusung. Bei der Ausfahrt aus der Schleuse hatten wir die notwendige Handbreit Wasser unter dem Kiel. Zur Mittagspause legten wir in Witzenhausen an. Holgers Frikadellen und Tanjas Kuchen waren ein Genuss. Danke dafür! Nachdem Fahrtenleiter Stephan die Mannschaften neu zusammengestellt hatte, ging es weiter. Die Holtesmeni mit Rüdiger Haupt am Steuer fuhr vor. Die Boote erreichten die Schöpfbuhne bei Hedemünden. Stephan rief zum vorausfahrenden Boot „nach links abbiegen“. Rüdigers Mannschaft stoppte, sie wendeten und fuhren in den Seitenarm ab. Doch was war das, plötzlich saß das Boot auf Steinen auf. Der Vierer mit Stephan am Steuer hatte das gleiche Problem. An der „Hans Werner“ wurde der Kiel leicht beschädigt, die Holtesmeni kassierte maximal einen Kratzer. Was war passiert? In der Fahrtenbeschreibung war der Hinweis auf eine Schöpfbuhne ausgewiesen. Diesen hatten beide Obleute wohl nicht so ernst genommen. Eine Schopfbuhne ist ein Wasserbauwerk, welches die Strömung in eine bestimmte Richtung leitet. Auf der Werra bei Hedemünde gibt es einen Steinwall, der verhindert, dass zu viel Wasser in einen Schwallgraben abfließt. Die korrekte Einfahrt in diesen Graben war hier schwer zu finden. Mein Puls raste, wusste ich doch, dass die Gefällstrecke am Ende des Grabens nochmal problematisch werden kann. „Alles wird gut“, sagte ich – wie ich jetzt finde – zu oft. Tatsächlich gestaltete sich dieser Streckenabschnitt ganz anders als in meiner Erinnerung. Nach der holprigen Einfahrt und der engen Kurve im Mittelabschnitt, der ein beherztes Steuern notwendig machte, war die Gefällstrecke einfach nur nett und unproblematisch. Das unruhige Wasser, das über die Bordwand spritzt, gab es diesmal nicht. Flüsse verändern mit dem Wasserstand ihren Charakter. Oder täuscht mich mein Erinnerungsvermögen? Werde ich alt? Die 40 km dieser Etappe vergingen rasend schnell. Zur Kaffeetrinken waren wir bereits an der Slipanlage vor der Schleuse Letzter Heller, dem Ziel der Tour. Schnell wurden die Boote verladen und vor dem Schauer saßen wir bereits vor einem Tortenstück. Das war eine optimale Zeitplanung. Die zwei Tage auf der Werra waren ein Erlebnis. Dass diese in so netter Gesellschaft verlebt wurden, steigerte die Attraktivität dieser Tour nochmals. Ich danke allen Beteiligten hierfür.