Gespannt fahre ich ins Bootshaus zum ersten Treffen mit Andrea, Martina, Jutta und Michael zum Fortgeschrittenenkurs. Statt ins Boot geht es erst einmal auf das Ergometer. Vorab gibt es eine Einführung zum Einstellen: In der Vorlage/Auslage sind die Unterschenkel senkrecht, der Oberkörper liegt quasi auf den Oberschenkeln – Hüftwinkel geschlossen heißt hier das Zauberwort. Die Arme sind nach vorn und außen gestreckt, die Blätter senkrecht. In der Rücklage sind die Beine gestreckt, der Rücken 10-15° nach hinten gelehnt und die Hände links und rechts an den kurzen Rippen. Dort brauchen wir den Platz für die schnelle Umkehr, aber dazu kommen wir noch.

  1. Unsere neue Startposition ist nun die Rücklage, die Arme dicht am Körper unter der Brust – wir sind ja auf dem Ergometer. Im Boot würden nun die Blätter schwimmen.
  2. Es folgt die schnelle Umkehr: Skulls nach unten drücken, Hände 10 cm nach vorn schieben und den Oberkörper dabei senkrecht aufrichten – alles in einer Bewegung und das möglichst schnell.
  3. Die Hände werden dann bis zu den Knien weitergeführt, erst dann setzt die Rollbewegung nach vorn ein.
  4. Ab den Fußspitzen werden die Blätter aufgedreht, und wir rollen weiter in die Vorlage bis der Oberkörper auf den Schenkeln liegt…so gut es eben geht, manchmal ist da was im Weg…..
  5. In der Vorlage sind die Blätter – wir denken sie uns immer noch – senkrecht aufgedreht dicht über der Wasseroberfläche.
  6. Das Eintauchen der Skulls ist ganz einfach: der Oberkörper wird aufgerichtet, die Schultern und Hände bleiben wo sie sind und die Skulls tauchen wie von selbst ins Wasser ein, natürlich in der richtigen Höhe – rein theoretisch.
  7. Einsetzen und den Druck des Wassers spüren – okay ohne Wasser etwas schwierig, aber wir arbeiten ja auch mit mentalen Bildern.
  8. Und Durchzug – Halt, nicht mit den Armen beginnen, sondern die Beine drücken uns weg vom Trittbrett, die Beine bleiben gestreckt bis die Hände auf Höhe der Knie sind, erst dann beginnt die Armarbeit.
  9. Und nun ziehen die Arme die Skulls bis wir in der Rückenlage sind und am Punkt 1 von 9.

Soviel zur Theorie, jeder von uns darf den Ablauf mehrmals am Ergometer üben, dann geht es raus aufs Wasser, in der Schwerin. Und auf der Regattastrecke versuchen wir nun Schritt für Schritt die Bewegungen 1 bis 9 umzusetzen – einzeln, zu zweit und auch zu viert. Das Boot stellen in der Rückenlage – die Oberschenkel beginnen zu brennen, aber das Boot steht irgendwann und solange keiner auf seinem Rollsitz hin und her rutscht.

Nach ca. 2,5 Stunden ist die erste Einheit von vier Einheiten vorbei und ich fühle mich wie nach 20 km rudern. Mit dem Ablauf im Kopf geht es nach Hause und im Laufe der Woche wird oft in Gedanken gerudert, damit die einzelnen Schritte im Kopf bleiben.

Eine Woche später – gleicher Tatort, wir besetzen wieder die Schwerin. Nach einer Wiederholung der einzelnen Abläufe wird jede nochmal an die für sie typischen Fehler erinnert. Michael entgeht nichts, sei es dass die Skulls zu tief eintauschen, Skulls zu tief ins Boot gedrückt werden, Blätter nicht schwimmen. Aber im gleichen Zug lobt er auch, was bereits besser geworden ist. Insgesamt fühlt sich das Boot besser an als die Woche davor. Wir bekommen ein Gefühl für das „Boot stellen“. Michael hat sich auf dem Wasser einige Übungen für uns einfallen lassen, die uns alle aus der normalen Ruderroutine herausreißen. Die Schlimmste ist, die Blätter nicht abzudrehen und senkrecht über das Wasser führend in die Vorlage zu gehen. Um bei der schnellen Umkehr nicht hängen zu bleiben, muss man nun die Skulls doch tiefer ins Boot reindrücken. Michael weist uns, charmant wie er ist, daraufhin, dass die eine oder andere von uns im klaren Vorteil ist bei dieser Übung. J Ich verrate an dieser Stelle mal nicht warum. Leider gehöre ich nicht zu den „Bevorteilten“ und habe immer wieder alle Mühe die Blätter senkrecht ohne Abdrehen aus dem Wasser über das Wasser zu führen. Aber am Ende der Einheit gehen wir alle aus dem Boot mit dem Gefühl, wieder viel gelernt zu haben und auch schon einiges verbessert zu haben.

Am dritten Samstag geht es wieder in die Schwerin. Natürlich versuchen wir auch unser gemeinschaftliches Abstoßen zu verbessern. Auch dazu bekommen wir viele Tipps und Hinweise. Aber eine Hemmschwelle beim Abstoßen bleibt der Einen oder Anderen immer noch erhalten. Wir sind ja auch nicht mehr so gelenkig in unserem Alter. J Dieses Mal rudern wir ein wenig Strecke. Schwerpunkt ist dieses Mal das richtige Eintauchen der Skulls, da wir oft beim Durchzug die Skulls zu tief im Wasser haben. Auf den Wunsch einer einsamen Dame machen wir auch ein paar Schläge ohne Abdrehen der Blätter. Dieses Mal klappt es auch schon besser. An den Start aus der Rückenlage haben wir uns gewöhnt. Es hilft, da man die Blätter schwimmen sieht und man merkt gut, ob man die Skulls zu tief ins Boot drückt oder nicht. Das Boot steht und läuft deutlich besser, auch wenn Michael natürlich noch Fehler bei jeder von uns findet. Immer wieder heißt es „schnellere Umkehr“, „spürt den Druck des Wassers, erst dann mit dem Durchzug beginnen“, „Körper hoch, keine Kiste schieben“, „Blätter schwimmen lassen“, „mehr in die Rücklage“ oder „mehr in die Vorlage“, „keine Flügelarme“, „Rhythmus beibehalten“. Ich sitze dieses Mal auf Schlag unter Michaels „Argus-Augen“ und versuche an alles zu denken, aber irgendwas ist immer. J Dummerweise will doch der Rollsitz beim Senkrechtstellen des Oberkörpers aus der Rückenlage nicht da bleiben wo er ist und setzt sich aus mir unerklärlichen Grünen immer ein wenig in Bewegung. Grrr. Ach ja, die Bauchmuskeln anspannen – ja, wo sind sie denn nur, da fehlt doch was. Aber nur unter Einsatz der sich rar gemachten Bauchmuskeln bleibt der Rollsitz wo er ist. Und dann war da noch was – „das Wasser streicheln“, keine abgehackten Bewegungen, die Ruderbewegung ist eine fließende Bewegung. Bei jedem Schlag versuche ich daran zu denken, in der Vorlage den Druck – oder für mich gefühlt Zug – des Wassers an den Skulls zu fühlen. Es zieht an den Schultergelenken, das Signal den Oberkörper aufzurichten und sich vom Stemmbrett wegzudrücken, dabei die Arme auf gleicher Höhe lassen, die Skulls nur führen, keinen Druck ausüben.

Nach 2 Stunden steigen wir alle ziemlich gerädert aus der Schwerin, Rudern ist echt anstrengend, wenn man es „richtiger“ macht. Michael verrät uns nicht, was er für den letzten Termin geplant hat. Leider findet dieser ohne Andrea statt, da sie aus familiären Gründen verhindert ist. Nichtsahnend schmeiße ich mich morgens in die Ruderklamotten und fahre zum Bootshaus, damit rechnend, dass wir in den Rennvierer gehen, so dass ich auch keine Wechselklamotten eingepackt habe.

Aber nein, „Einheit“ und „Dieter“ sollen aus den Hallen geholt werden. In mir macht sich erste Panik breit, ich soll in den Einer. Michael erklärt uns, was beim Heraustragen der Boote beachtet werden muss. Beide Boote liegen etwas unerreichbar für uns auf den höheren Plätzen.

Wir legen sie in Böcken ab. Jeder versucht, den Einer mal allein anzuheben. Man muss es in einem Rutsch tun, ich bekomme ihn auf die Schulter gehoben, aber als Michael den Bug loslässt scheint sich das Gewicht zu verdreifachen. Der Zweier hat auch ordentlich Gewicht. Aber bei so vielen Gentlemen und Gentlewomen im RVC mach ich mir keine Sorgen um das Tragen der Boote. Während wir die Skulls einlegen, bereitet Michael seine Kamera für Foto- und Videoaufnahmen vor. Martina und Jutta legen mit dem Zweier ab und rudern Richtung Eisenbahnbrücke. Von dort kommend will Michael die Boote dann filmen. Das sieht im Zweier bei den Beiden – vom Steg aus betrachtet schon recht harmonisch aus. Mit Michaels Hilfe schaffe ich es, in den Einer einzusteigen. Skulls flach aufs Wasser, noch hält Michael das Boot fest. Aber ich traue mich nicht abzulegen, die Skulls überhaupt nur zu bewegen. Mann, ist so ein Einer wackelig. Alles völlig normal, befindet Michael und beweist, dass das Boot nicht umfällt, wenn ich die Skulls in der Sicherheitsstellung habe. Aber zum Rudern muss ich die Skulls bewegen…..Trotz vieler Mut machender Worte und Michaels Zuversicht, dass ich es eigentlich kann, schaffe ich es nicht abzulegen. Auch Oliver, der kurz vorbeischaut, findet beruhigende und aufbauende Worte, aber die Blockade im Kopf ist stärker – komisch, wo dieser Dickkopf wohl herkommt, sonst taucht er immer ab. Ich klettere also wieder aus dem Boot und schaue Martina und Jutta im Zweier zu. Michael überredet mich, nochmal zum „Probesitzen“ in den Einer, damit ich mich daran gewöhne und er hat recht, es fühlt sich ein wenig vertrauter an, aber zum Losrudern reicht das Wohlfühl-gefühl nicht, aber zumindest für ein Foto.

An dieser Stelle ganz herzlichen Dank an Michael für sein Verständnis und Feingefühl in dieser Situation.

Dann wird getauscht, Jutta nimmt den Einer, Martina und ich den Zweier, wobei ich erst mal auf Schlag sitze und eine spontane Ruderamnesie erleide. Die Bewegungen sind hektisch, abgehakt und das Gegenteil von dem, was ich an den drei vergangenen Samstagen gelernt habe. Irgendwie hat ein Fluchtinstinkt eingesetzt und ich will schnellst möglich wieder an den Steg zurück. So ein Rennzweier ist eben kein Gig-Boot und fühlt sich komplett anders ein. Wenn ihr wissen wollt, wie, dann macht den Kurs mit! Jutta rudert souverän den Einer hin und her, aber sie hat ja auch schon ein wenig Erfahrung im Vorjahr sammeln können.

Schließlich tauschen wir nochmal, Jutta kommt zu mir in den Zweier und übernimmt den Schlag. So kann ich mich an ihr orientieren und habe nun nicht das Gefühl, nur raus zu wollen. Und zum Schluss schaffen wir gemeinsam doch ein paar Schläge, die sich gut anfühlen, da das Boot steht. Also alles eine Frage der Gewöhnung und demnächst kommen außer was zu trinken noch ein Snickers mit ins Boot – wenn es mal wieder länger dauert.

Martina macht im Einer ebenfalls eine gute Figur und zeigt fließende Ruderbewegungen. Wir legen alle wieder an. Nach dem ausgiebigen Putzen der Boote gibt es dann noch die Videoanalyse unserer Aktivitäten in den Rennbooten. Michael analysiert jeden von uns, verteilt viel Lob, aber auch immer noch vorhandene Schlampereien werden uns präsentiert. Jede von uns hat eigene Schwächen, manche sind verschwunden, andere deutlicher zu Tage getreten. Es gibt also noch viel zu tun – packen wir es an. Vielleicht gibt es ja noch einen Fort-Fortgeschrittenenkurs – ich wäre auf jeden Fall dabei.

Fazit: Rudern ist mehr als nur Skulls durch das Wasser ziehen und Strecke absolvieren. Der Teufel liegt auch hier im Detail und es braucht einen, der diese Details kennt, erkennt und erklärt. Wer also die Feinheiten des Ruderns erlernen will, ist bei diesem Kurs unter der Leitung von Michael Fischer richtig! Macht ihn mit!